Chemie und Pharma als Triebkraft prädestiniert
Pole-Position in puncto Nachhaltigkeit
Diese Reaktion auf den Druck von Behörden und Öffentlichkeit zu nachhaltigem Wirtschaften klingt verzweifelt: «Schon wieder eine Vorschrift, die wir zusätzlich erfüllen müssen!» Doch es geht auch so: «Wir sind einen Schritt voraus und helfen sogar anderen, ihre Nachhaltigkeitsziele schneller zu erreichen.» Die Chemie- und Pharmabranche ist prädestiniert für die Umsetzung dieses zweiten Ansatzes.
Immerhin 58 Prozent der CEOs aus der Chemiebranche planen bereits jetzt Investitionen in Nachhaltigkeit für das kommende Jahr ein1. Dabei gilt es, über interne Optimierungspotenziale hinaus den Kunden ein nachhaltigeres Wirtschaften zu erleichtern.
Beispiel Bauchemie: Der Übergang von hohen Temperaturen (ca. 1450°C) beim Brennen von Zement zu Niedrigtemperatur-Verfahren (unter 1000°C) senkt den Energieverbrauch und den CO2-Ausstoss bei der Herstellung. Weitere «grüne» Potenziale eröffnet Recyclingbeton. Beispielsweise errichtet man aus 4200 Kubikmetern eines solchen Materials (EvopactRECARB, Holcim, Zürich) im Technologie-Cluster Zug ein viergeschossiges Produktions- und Montagegebäude (Projekt «Zephyr Ost») und speichert im Beton sogar noch CO2 aus einer Abwasserreinigungsanlage. Die gesamte Einsparung an Kohlendioxidemissionen beläuft sich gegenüber einer konventionellen Bauweise auf 71 Tonnen (50 Tonnen durch das Material selbst, 21 Tonnen durch die CO2-Speicherung)2.
Beton-Additive auf Basis von Polycarboxylatether (PCE) sparen nicht nur bei der Herstellung eine Menge Wasser. Sie können darüber hinaus die Lebensdauer von Brückenpfeilern (z. B. bei Autobahnen) um das Dreifache erhöhen, in dem sie zum Beispiel das korrosiv wirkende Chlorid aus Streusalz erst gar nicht bis zur stählernen Bewehrung vordringen lassen.
Daher tut ein Perspektivwechsel gut: Nachhaltigkeitsstrategien können bei Energie- und CO2-Einsparpotenzialen in der eigenen Produktion ansetzen (Stichwort: «Niedrigtemperatur-Zement»). Doch auch der Bau einer neuen Werkshalle birgt Chancen. Chemieunternehmen können hier sowohl als Lieferant nachhaltiger Produkte auftreten (Stichwort: «Recyclingbeton») als auch ebendiese Produkte als Bauherr nutzen. Und Spezialchemikalien helfen Kunden beim nachhaltigen Wirtschaften, zum Beispiel im öffentlichen Sektor (Stichwort: «PCE-Additive für Autobahn-Brückenpfeiler»).
Gerade in der Bauchemie steckt ein enormes Einsparpotenzial, denn nach einer Faustregel fällt zurzeit allein für jede Tonne Zement in der Herstellung eine Tonne CO2 an3, und die Weltproduktion liegt bei zirka 4,65 Milliarden Tonnen4. Ein nachhaltigeres Wirtschaften zahlt auf die UN-Nachhaltigkeits-ziele ein (z. B. «Infrastruktur»/Ziel 9 oder «nachhaltige Städte und Gemeinden»/Ziel 11). Darüber hinaus können viele Chemie- und Pharma-Sparten helfen, weitere UN-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, so etwa dezentrale Impfstoffproduktionen für weltweite «Gesundheit und Wohlergehen»/Ziel 3.
Die ganze Bandbreite der Strategien für ein nachhaltigeres Wirtschaften erlebt der Besucher auf der diesjährigen Ilmac. Insbesondere die Conference mit seinen interessanten Fachvorträgen widmet sich als Ilmac Highlight, in diesem Jahr voll und ganz dem Thema. Die Nachhaltigkeit hat definitiv die Pole-Position an der Ilmac erobert.
Literatur
- Global CEO Study von PwC (PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft)
Webseite (Zugriff am 7.6.2022) - Webseite (Zugriff am 15.4.2022)
- Ansgar Kretschmer, Klimabilanz der Zementindustrie.
Webseite (Zugriff am 24.5.2022) - VDZ / IBU (2017): Umwelt-Produktdeklaration (EPD) Durchschnittlicher Zement Deutschland, wie zitiert in: Bellmann E, Zimmermann P/WWF Deutschland (Hrsg.):
Klimaschutz in der Beton- und Zementindustrie. Hintergrund und Handlungsoptionen.
Berlin 2019